Betrachtung als kreativer Prozess

Die Meditation am Samstag, den 25. Januar in Cavedine, beginnt mit einer Frage:

Wie kann ich verstehen, dass meine Art zu meditieren oder meine Art der Konzentration richtig oder falsch ist?“ Heinz Grill antwortet, dass es Kriterien gibt, die anzeigen können, ob unsere Konzentration bzw. Meditation richtig oder falsch sind.

Zunächst ist zu betonen, dass die Konzentration, wie Heinz Grill sie versteht, nicht einfach ist. Es gibt verschiedene Arten der Konzentration, z. B. wenn eine Katze eine Maus fangen will, ist sie auch konzentriert, jedoch kommt diese Konzentration eher aus dem Instinkt, aus dem Willen. Der Mensch hingegen, wenn er sich konzentriert, denkt er. Wir können also eine erste Unterscheidung zwischen der Aktivität des Willens und der Aktivität des Denkens treffen.

Man kann sich auf ein Objekt konzentrieren und die Aufmerksamkeit darauf lenken. Diese Übung wird in Sanskrit mit Tratak* benannt.

Am heutigen Abend haben wir eine Kerze ausgewählt und diese zwei Minuten lang beobachtet. Danach schlossen wir die Augen und erschafften das Objekt in der Erinnerung wieder. Bei richtiger Aufmerksamkeit müsste das Bild lebendig präsent sein. Die Teilnehmer hatten unterschiedliche Aspekte durch die Beobachtung wahrgenommen; für einen war die Form präsenter, für einen anderen die Farbe, für wieder einen anderen die bewegte Flamme.

Die Konzentration kann nicht eine Leere sein sein, sie muss einen Inhalt haben. Dieser Inhalt kann aus einem Gegenstand, einem Satz oder einem philosophischen Text bestehen.

Danach wählten wir ein Bild von Heinz Grill in der Yoga-Position des Schulterstands und schauten es 3 Mal für 2 Minuten an. Beim ersten Mal beobachtete ein Teilnehmer Schulterstandgenauer die vertikale Aufrichtung, eine andere Person die Proportionen, dass sich die vertikale Linie exakt in der Mitte des Rahmens befindet. Für die meisten Teilnehmer war es einfacher, sich das Bild des Fotos in der Erinnerung vorzustellen als die Kerze mit der Flamme. Ein Teilnehmer wies jedoch darauf hin, dass die Vorstellung noch lebendiger hätte sein können.

Also haben wir uns das Foto ein zweites Mal angeschaut, diesmal etwas genauer, da die Kriterien für die Betrachtung erweitert worden waren, und zwar die Aufrichtung und die Proportionen. Dennoch hat jeder seine persönlichen Kriterien gehabt, mit denen er betrachtete, so wie ein Künstler mit anderen Augen betrachtet als ein Arzt oder als der Yoga-Praktizierende. Die Rekonstruktion des Objekts aus der Erinnerung hat das Bild diesmal noch lebendiger gemacht. Es ist wichtig, dass sich die Vorstellung zu Beginn der Konzentrationspraxis außerhalb und sich nicht als subjektive Empfindung in uns befindet.

Beim dritten Mal haben wir alle die Betrachtung mit einem gemeinsamen Gedanken gemacht: „Das Herz ist das Zentrum in dieser Position, und vom Herzen steigt ein Fließen nach oben und gleichzeitig wird auch eine stabile Basis nach unten geschafften“. Wir beobachteten nun das Foto mit diesem konkreten Gedanken, der nicht sichtbar war, der aber eine Wirkung auf uns ausübte. Nach der Betrachtung fühlten sich alle ruhiger. Und im Gegensatz zu den vorhergehenden Erfahrungen hat das Einführen eines gemeinsamen Inhalts dem Bild nochmals mehr Lebendigkeit und Intensität verliehen. Das Fließen, das vom Herzen ausgeht, war nicht sichtbar, aber es entstand ein Empfinden, dass dieser Gedanke eine Wahrheit des Schulterstandes ausdrückte. Eine Wahrheit führt zu einem tiefen Gefühl der Ruhe.

Eine Lüge, d. h. Worte, die nicht mit den Gedanken einer Person übereinstimmen, erzeugen Unruhe. In der heutigen Gesellschaft sind wir leider von vielen Lügen, Manipulationen usw. umgeben, und wir brauchen wahre Gedanken, um Gefühle des Ruhe zu schaffen. Diese Aktivität des Beobachtens und Wiedererschaffens des Beobachteten hat einen großen Wert, denn es handelt sich um einen kreativen Prozess, der sich nach Ansicht eines bei dieser Meditation anwesenden Arztes auch auf die Bildung neuer Synapsen im Gehirn auswirkt, so dass er eine Vorbeugung gegen degenerative Krankheiten wie die Alzheimer-Krankheit sein kann.

Wir müssen immer unterscheiden, ob wir der Konzentration etwas Neues hinzufügen oder im Alten bleiben. Wenn die Vorstellung präsent und lebendig ist, können wir davon ausgehen, dass etwas Neues hinzugekommen ist. Wenn das Bild/die Vorstellung nicht lebendig ist, fehlt etwas, wir sind in unserer Subjektivität geblieben.

Nach Ansicht der Autoren waren diese Übungen Schritte zur Konzentration, wie sie Heinz Grill beabsichtigte: „Die Konzentration bildet die feine Scheidewand, die das Licht von der Finsternis trennt.“ Das Licht geht auf und lässt die Dunkelheit verschwinden. Allein dieser Satz könnte Gegenstand der Meditation für die nächsten zwei Wochen sein. Am Anfang ist dieser Satz oft nicht leicht verständlich, aber mit der Zeit kann er zu einem wahren Erlebnis werden.

Heinz Grill schloss mit dem Rezitieren von Sri Aurobindos Gayatri-Mantra:

Tat savitur varam rūpam jyotiḥ parasya dhῑmahi, yannaḥ satyena dῑpayet”.

Caterina in Zusammenarbeit

* dies ist die Übung „tratak” (trāṭaka ist ein Begriff aus der Hatha-Yoga-Pradipika und bedeutet „fixiere deine Augen auf einen Gegenstand”, tra = schützen, aṭaka = wandern, d. h. „schütze deinen Blick/Geist vor dem Wandern”. Die Übung ist Teil der so genannten sechs Reinigungsübungen und wird in der Regel mit Hilfe einer Kerzenflamme durchgeführt).

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